Deutschland

Kentler-Experimente: Missbrauch war durch Netzwerk weit über Berlin hinaus möglich

Laut einem Zwischenbericht zu dem Missbrauch durch das sogenannte Kentler-Experiment erstreckt sich das Netzwerk über viele Personen, auch weit über Berlin hinaus. Das vermeintliche Kinder- und Jugendhilfeprojekt ermöglichte den Missbrauch Minderjähriger durch Pädophile.
Kentler-Experimente: Missbrauch war durch Netzwerk weit über Berlin hinaus möglichQuelle: www.globallookpress.com © Christoph Hardt / IMAGO/ / Global LookPress

Der Missbrauch zahlreicher Minderjähriger in dem als Kentler-Experiment bekannt gewordenen Skandal ist offenbar weit über Berlin hinaus gegangen. Viele Personen und sogar Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe haben es ermöglicht. Das zeigt ein Zwischenbericht zu den Experimenten um den Sexualwissenschaftler und Professor für Sozialpädagogik, Helmut Kentler (1928 bis 2008).

Laut dem Forschungsbericht, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde, waren nicht nur Kentler und sein direktes Umfeld an der Vermittlung von Pflegekindern und -jugendlichen an vorbestrafte Pädophile beteiligt war, sondern auch verschiedene Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe weit über Berlin hinaus.

Kentlers sogenannte Experimente, die zwischen den 1970er Jahren bis Anfang 2000 stattfanden, und die Mitverantwortung des Landesjugendamts wurden bereits in zwei wissenschaftlichen Forschungsarbeiten analysiert. Am Montag stellte ein Projektteam der Universität Hildesheim bei einer Pressekonferenz der Senatsbildungsverwaltung den dritten Zwischenbericht vor. Die Berliner Bildungsverwaltung hatte ihn initiiert. Er bezieht sich auf ganz Deutschland.

Laut der Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Astrid-Sabine Busse (SPD), selbst Pädagogin, zeige der Bericht, wie komplex die Strukturen sind. "Umso wichtiger ist es hier, die Aufarbeitung weiter voranzutreiben." 1.150 Akten der Bildungsverwaltung wurden untersucht, 30 Fallakten sowie zwei damals Betroffene haben zu den neueren Erkenntnissen beigetragen.

Eine betroffene Person habe von pädophilen Strukturen in einer Kirche in Westdeutschland berichtet, die mit Kentler in Verbindung stand. Die Täter, die dies ermöglicht haben, und ihre Mitwisser haben sich demnach gegenseitig geschützt. Die Wissenschaftlerin Carolin Oppermann von der Universität Hildesheim erwähnte unter anderem eine Person, die in den 1970er Jahren in Berlin in der Wohnung des Psychologen und Sexualforschers Helmut Kentler lebte und von ihm missbraucht wurde. Damals hatte das Landesjugendamt die Vermittlung geduldet, weil die Familie in vermeintlich guten sozialen Verhältnissen lebte.

Die Jugendämter, die die Anordnung trafen, gingen damals noch davon aus, dass sie den Kindern zu einem besseren Leben verhalfen und vertrauten dem damals renommierten Wissenschaftler. Allerdings wurden die zugewiesenen neuen Verhältnisse fast nie kontrolliert.

Zwar habe das Landesjugendamt in Berlin eine zentrale Rolle gespielt, "jedoch sind vielfältige Akteure und Akteurinnen auch über Berlin hinaus am Hilfeverlauf beteiligt. So lassen sich zum Beispiel Unterbringungen in den Martin-Bonhoeffer-Häusern in Tübingen (…) nachweisen." Laut den Forschern konnten sich alleinstehende Männer aus Westdeutschland junge Menschen aus Berlin, besonders aus dem Haus Tegeler See "aussuchen" und zu sich "in Pflege oder Sonderpflege" nehmen. "Dies war möglich gewesen, da persönliche Netzwerke durch die unterschiedlichen Institutionen bestanden." Akteure und Mitwisser haben sich demnach gegenseitig geschützt.


Die jeweils zuständigen lokalen Jugendämter über Berlin hinaus hätten zumindest eine diffuse Rolle gespielt. Sie hätten sich in ihrer Zuständigkeit nicht klar positioniert. Sie hätten das Landesjugendamt Berlin um Bestätigung der von ihnen erteilten Pflegeerlaubnis gebeten. Dieses Landesjugendamt habe "seine Rolle als pädagogischer Gestalter von Schutzmaßnahmen (…) nicht hinreichend" ausgefüllt, schreiben die Forscher in ihrem Zwischenbericht.

Vier Betroffene haben sich bisher persönlich zu Wort gemeldet. Wie viele Personen tatsächlich betroffen sind, konnten die Wissenschaftler nicht sagen. Sie bitten Betroffene, sich bei der Senatsbildungsverwaltung oder direkt bei der Universität Hildesheim zu melden.

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