Gesellschaft

"Der große Führer …" – Nazi-Verherrlichung auf ukrainischer Buchmesse und Goethe-Institut mit dabei

Ein ukrainischer Verlag stellte auf der Buchmesse im ukrainischen Lwow ein Buch über ukrainische Freiwillige in der SS-Division "Wiking" vor. Diese Episode im Krieg sei einzigartig, so der Autor. Er bedankte sich beim Rechten Sektor für die Präsentation.
"Der große Führer …" – Nazi-Verherrlichung auf ukrainischer Buchmesse und Goethe-Institut mit dabei

Am 19. September reiste der ukrainische Präsident Petro Poroschenko in die Kulturhauptstadt der Westukraine Lwow, um die Besucher der 25. internationalen Buchmesse "Bookforum" zu begrüßen. Er versprach dabei, unbedingt ein neues Buch von der Messe durchzulesen. Welches, verriet er nicht.

Könnte es auch dieses Buch sein: "Ukrainische Wikinger: Ukrainer in der SS-Division 'Wiking'"? Vom Verlag Mandrivetz (Wanderer) als "symbolischer Schlussakkord der Buchmesse am Tag der Verlage" gepriesen, wurde es am 23. September vom Autor Roman Ponomarenko persönlich vorgestellt.

45 Minuten Vortrag, Fragen aus dem Publikum, Fototermin, Signierstunde – ganz normal und akademisch verlief die Präsentation in den Räumen aus dunklem Holz des Ethnographischen Instituts. So wirbt der Verlag Mandrivetz für das Buch:

Ukrainische Freiwillige in den Reihen der Division 'SS-Wiking' in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 – diese Tatsache, scheint auf den ersten Blick fantastisch zu sein. (...) Dieser einzigartige Fall in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, als für die Aufstockung der Elitedivision der SS auf dem gleichen Niveau mit den Deutschen und anderen europäischen Freiwilligen die slawischen Soldaten eingesetzt wurden.

In den Reihen der 'Wikinger' haben die ukrainischen Krieger eine gute Militärausbildung erhalten und kämpften gegen die Rote Armee auf dem bekannten Platzdarm [Fachjargon für militärisches Aufmarschgebiet] bei Narew. Dort befanden sie sich wahrlich in der Hölle des Krieges. Den Deutschen gelang es jedoch, dort den ungestümen Ansturm der Roten Armee zu stoppen. Auch die ukrainischen Wikinger-Krieger haben ihren Beitrag geleistet, mindestens 150 von ihnen starben. Die Ukrainer griffen nicht wegen des Reichs zur Waffe – sie kämpften für die Ukraine.

"Ukrainische Wikinger" ist nicht Ponomarenkos erstes Buch zu diesem Thema. Er hat schon viele Bücher und Artikel über ukrainische Nazi-Kollaborateure in den Einheiten der SS geschrieben. In seinen Arbeiten betrachtet er die Hitler-Truppen und ihre Helfershelfer nicht als Organisationen, die grausame Verbrechen begangen haben, sondern als politische Verbündete, deren Hilfe die Westukrainer in ihrem Kampf für einen Staat Ukraine in Hitlers "Neuem Europa" für sich genutzt hätten. Diese Zusammenarbeit sei ein Erfolg gewesen. So schreibt der Autor im April 2018 einen Artikel in einem der führenden ukrainischen Portale Ukrajinska Prawda:

Das Hauptziel der Formierung der Division (es handelt sich um die "14. Waffen-Grenadier-Division bei der SS (galizische SS-Division Nr. 1)"; Anmerkung W.S.) war der Versuch, für das ukrainische Volk einen Platz im nazistischen 'Neuen Europa' zu verschaffen. Der Veteran der Setsch-Schützen (сечевых стрелков), der bekannte ukrainische Schriftsteller und Pädagoge M. Ufrin-Besgreschny schrieb am 24. Januar 1944:

'Als der große Führer Deutschlands uns erlaubte, die Division aufzustellen, habe ich alles hingeschmissen und mit der Agitation angefangen, um die Jugend zu mobilisieren. Ich war stolz, dass man mich unter die Obhut der besten Armee der Welt aufgenommen hat. (…). Unsere Völker – das deutsche und das ukrainische – ergänzen sich in Europa am besten.

Es gibt für uns Ukrainer keine andere Wahl. (….) Ich bin überzeugt, dass (…) mein Volk mit den Deutschen im Neuen Europa im Glück leben wird – als Wegweiser im ständigen Wettbewerb um Schönheit, Wahrheit und Ruhm der europäischen Gemeinschaft.'

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Ponomarenko betont, die Ukrainer hätten genau wie die Deutschen eine "Zivilisationswahl" getroffen. Das Neue Europa, das die Deutschen gemeinsam mit den besten Vertretern der Ukrainer bauen wollten, sollte auf traditionellen europäischen Werten gegründet sein, geschweißt im gemeinsamen Kampf gegen Kommunismus und westliche Plutokratien. Diesen Platz müssten die Ukrainer in den Augen der Deutschen verdienen. Er schreibt aber auch, dass die Nazis gezielt "Galizier" für die Zusammenarbeit ausgewählt haben. Sie stünden schon lange unter österreichischem Einfluss, wobei die restlichen Ukrainer als Sowjetmenschen für Propaganda der Kollaboration nicht empfänglich wären.

Die Teilnahme der SS-Division "Wiking" an der Judenvernichtung und sonstigen Verbrechen ist belegt, insbesondere 1941 und kurz vor dem Ende des Krieges. Es ist auch bekannt, dass SS-Chef Heinrich Himmler bei der Zusammensetzung der Division "Wiking" besonders um Norweger als Vertreter der nordisch-germanischen Rasse buhlte. Insgesamt gab es in dieser SS-Einheit außer Norwegern Freiwillige aus Niederlanden und Dänemark. Die Karriere der Ukrainer in der Division war kurz – die verbliebenen Soldaten gingen bald in die 5. SS-Grenadierdivision Galizien über. Ein Zeichen dafür, dass die Deutschen das Streben der Ukraine nach einem eigenen Staat ernst nahmen, war für den Historiker die Erlaubnis, ukrainische Abzeichen auf der Uniform zu tragen.   

Roman Ponomarenko hat promoviert, sein Hauptgebiet ist Militärgeschichte. In den Jahren 2012 und 2013 schrieb er auch für eine russische Fachzeitschrift. Ist das, was er schreibt, der Methode des Hineinversetzens in die "innere Logik" des Geschehenen geschuldet? Inklusive der Idealisierung des Rassenwahnsinns und entsprechenden politischen Plänen der jeweiligen Akteure? "Wir müssen uns mit den Motiven hinter den Verbrechen befassen, so wie Kriminalisten sich mit dem Gedankengerüst eines Serienkillers auseinanderzusetzen haben", sagt der norwegische Historiker Terje Emberland, der zur Teilnahme der Norweger an NS-Verbrechen forschte. Geht es Ponomarenko etwa auch darum? Offenbar nicht. Der Historiker ist ideologisch motiviert. Für ihn sind Nazi-Kollaborateure und Hitler-Verehrer Helden. Kritik aus Russland tut er ironisch ab und versteht sie als Werbung – das sei einfach ein Fest, schreibt Ponomarenko und verlinkt die russischen Medien, die sein neues Buch als Zeichen für ukrainischen Neonazismus thematisieren.

Was er sonst noch gerne postet, sind Fotos von seiner Teilnahme an neonazistischen Festen und Auftritten beim Rechten Sektor. Besonders freute er sich über ein Foto, das sein Buch in einem Bunker neben einem Maschinengewehr zeigt. "Unter den ukrainischen Wikingern gab es auch Maschinengewehrschützer. Mein Buch ist bei unseren Lesern angekommen", kommentiert er das Foto. Auf dem Titelbild seines Facebook-Profils ragen Kreuzritter über Soldaten einer Hitlereinheit, vermutlich einer ukrainischen. Seine künftigen Leser nannte der Autor "Menschen, die das ukrainische Gejammer satthaben und die aus der Position der Stärke und des Stolzes auf die Geschichte ihres Volkes blicken wollen". 

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Mit diesem Anliegen liegt der Historiker Ponomarenko ganz auf der Linie der derzeitigen ukrainischen Nationenbildung, und sein Wirken bleibt nicht nur von einer strafrechtlichen Verfolgung für Naziverherrlichung – die in der Ukraine nie abgeschafft wurde – verschont, sondern im Gegenteil, sie ist erwünscht und wird gefördert. Präsident Poroschenko könnte also tatsächlich einer seiner Leser werden.

Die internationale Buchmesse "Bookforum" in Lwow feierte in diesem Jahr das 25. Jahr ihres Bestehens. In diesen Jahren etablierte es sich zur größten und international gefeierten ukrainischen Buchmesse. Auch das Deutsche Goethe-Institut war auf dem diesjährigen Bookforum bei fünf Events vertreten. Auf unsere Nachfrage, wie es das auf dem Forum vorgestellte Buch des Historikers Roman Ponomarenko einschätze, ließ die Leiterin der Filiale in Kiew unsere Redaktion wissen, die Presseabteilung des Instituts werde die Fragen im Laufe der nächsten Woche beantworten. 

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