Ukraine sagt sich von Verpflichtungen des Nichtverbreitungsvertrags von Atomwaffen los – Warum?
Eine Analyse von
Irina Taran und Jelisaweta Komarowa
Die Behörden des Kiewer Regimes haben sich geweigert, die nukleare Sicherheit im Kernkraftwerk Tschernobyl zu gewährleisten, nachdem die Anlage unter die Kontrolle russischer Truppen gekommen ist. Ebenso hat sich Kiew von den Verpflichtungen der Ukraine aus dem Abkommen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) losgesagt, die es im Rahmen des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) zu erfüllen hat. Dies geht aus einer Erläuterung zu einem Schreiben des ständigen Vertreters der Ukraine bei den Vereinten Nationen, Sergei Kisliza, an den Generalsekretär der IAEO hervor.
Darin heißt es:
"Die Ukraine kann ihren Verpflichtungen aus dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit und dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle sowie aus dem Abkommen zwischen der Ukraine und der IAEO über die Anwendung von Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen nicht in vollem Umfang nachkommen", zitiert die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti aus der Erläuterung.
Gleichzeitig fordert Kiew, eine Überwachung des russischen Vorgehens im Kernkraftwerk Tschernobyl zu organisieren, eine internationale Prüfung der Kernmaterialbestände in Russland selbst durchzuführen und Sanktionen gegen den Bau von Kernkraftwerken (außerhalb Russlands) zu verhängen, die von russischer Seite entwickelt wurden.
In einem Kommentar für RT erklärte Alexei Podberjoskin, Direktor des Zentrums für militärische und politische Studien am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen: In Wirklichkeit gebe Kiew sogar sehr "gerne die Verantwortung" für eine hochgefährliche Anlage wie das Kernkraftwerk Tschernobyl ab. Schließlich ist Kiew bisher gezwungen gewesen, jedes Jahr viel Geld auszugeben, nur um das funktionsunfähige Kraftwerk in einem sicheren Zustand zu unterhalten.
So beschloss das ukrainische Ministerkabinett im März 2021, 1,4 Milliarden Griwna (mehr als 3,9 Milliarden Rubel nach damaligem Kurs) bereitzustellen, um unter anderem drei nicht betriebsbereite Kraftwerksblöcke in Tschernobyl sowie die Lagereinrichtungen für abgebrannte Kernbrennstoffe und radioaktive Abfälle in einem sicheren Zustand zu halten. Darüber hinaus sollten diese Mittel für die Instandsetzung der Sicherheitssysteme der Anlage verwendet werden. Daraus folgend kommentiert der Experte:
"Indes sind all diese Appelle der ukrainischen Seite an die IAEO mit der Forderung nach Sanktionen gegen Russland nichts anderes als ein Versuch, die Aufmerksamkeit des Westens auf sich zu lenken. Dies ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass sich die Ukraine in erster Linie auf Informationskriegsführung und die Erfindung von Informationsanlässen konzentriert – anstatt wesentliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit des Kernkraftwerks Tschernobyl und der angrenzenden Gebiete zu ergreifen."
Laut Podberjoskin haben solche Forderungen nach einem weiteren harten Durchgreifen gegen Russland beim Bau von Kernkraftwerken "nichts mit den heutigen Realitäten zu tun":
"Die Bereitschaft Russlands, die Sicherheit des Kernkraftwerks Tschernobyl zu gewährleisten, hat nichts mit den russischen Nuklearprojekten zu tun, auch nicht mit denen in anderen Ländern. Der Bau der von russischer Seite entwickelten Kernkraftwerke wird mit jedem Staat gesondert im Rahmen von zwischenstaatlichen Abkommen vereinbart", betonte Podberjoskin.
Alexei Leonkow, Militärexperte und Leiter der militärtechnischen Spezialzeitschrift "Arsenal Otetschestwa" (dt.: "Arsenal des Vaterlandes"), konnte gegenüber RT die Forderung Kiews nach einer internationalen Überprüfung des russischen Kernmaterials lediglich als "Propaganda auf niedrigem Niveau" klassifizieren:
"Russische Objekte der nuklearen Infrastruktur werden regelmäßig von IAEO-Inspektoren aufgesucht, alle russischen Kernreaktoren sind zertifiziert. Bei Kiew ist schlicht der ständige Wunsch zu beobachten, Russland für buchstäblich alles zu beschuldigen."
Unter der Kontrolle der russischen Streitkräfte
RT erinnert: Gleich am ersten Tag der von Wladimir Putin am 24. Februar 2022 angekündigten Sonderoperation zur Entmilitarisierung der Ukraine übernahmen russische Fallschirmjäger sofort die vollständige Kontrolle über das Kernkraftwerk Tschernobyl. Generalmajor Igor Konaschenkow, offizieller Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, gab während eines Briefings bekannt: Es sei eine Vereinbarung zwischen der russischen Seite und den Soldaten eines separaten Bataillons des ukrainischen Kernkraftwerkschutzes getroffen worden, "um gemeinsam die Sicherheit der Meiler und der Betonsarkophags des KKW Tschernobyl zu gewährleisten":
"Das gemeinsame Vorgehen zur Verteidigung des Kraftwerks seitens der russischen Fallschirmjäger und der ukrainischen Soldaten des Sicherheitsbataillons des Kernkraftwerks sind eine Garantie dafür, dass nationalistische Formationen oder andere terroristische Organisationen die derzeitige Lage im Land nicht als Gelegenheit für eine nukleare Provokation nutzen können."
Ihm zufolge seien die Strahlungswerte und Spurenwerte für radioaktives Material in der Umgebung des Kernkraftwerk Tschernobyl derzeit normal, und das Personal des Kraftwerks wartet und betreibt dessen Anlagen weiterhin im Standardmodus.
Nach der Kontrollübernahme durch die russischen Fallschirmjäger gab der Pressedienst des ukrainischen Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen bekannt, die Ukraine habe der IAEO mitgeteilt, in der Sperrzone des KKW Tschernobyl die Kontrolle über die Nuklearobjekte und Objekte, die der Strahlungssicherheitskontrolle unterliegen, verloren zu haben.
Generaldirektor der IAEO Rafael Grossi warnte am 26. Februar, dass die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen und Materialien in der Ukraine in keiner Weise gefährdet werden dürfe – "ein solcher Zwischenfall könnte schwerste Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben". Aber er gab auch vorsichtige Entwarnung – vom Pressedienst der IAEO wie folgt zitiert:
"Derzeit arbeiten die Anlagen normal, und das Kernmaterial in den Anlagen ist unter Kontrolle. Es ist außerordentlich wichtig, dass dies auch künftig so bleibt."
"Das wäre eine echte Katastrophe"
Wie Alexei Podberjoskin betont, hat sich das Sicherheitsniveau im Kernkraftwerk Tschernobyl und in der Umgebung um ein Vielfaches erhöht, nachdem die russischen Streitkräfte das Gelände unter Kontrolle genommen haben. Die Unfähigkeit der ukrainischen Behörden, die Handlungen der Radikalen im Lande zu kontrollieren hätte, kombiniert nicht zuletzt mit kontrollloser Verteilung von Waffen durch Kiew an die ukrainische Bevölkerung, seiner Ansicht nach in der gegenwärtigen Situation zu den übelsten denkbaren Folgen führen können:
"Es ist klar, dass eine Explosion beliebigen Ausmaßes auf dem Gelände eines Kernkraftwerks oder in seiner Nähe sofort das Wasser und die Atmosphäre verseuchen würde. Und das wird bereits Folgen nicht nur für die Ukraine, Russland und Weißrussland haben, sondern auch für ganz Europa – das jetzt gemeinsam mit den USA die Ukraine intensiv mit Waffen vollpumpt."
Alexei Leonkow erinnerte seinerseits daran, dass der ukrainische Präsident Selenskij vor nicht allzu langer Zeit der Welt de facto mit der Schaffung von Atomwaffen gedroht hat – ausgerechnet von der Tribüne der Münchner Konferenz für Sicherheit aus. In seiner Rede schloss er ausdrücklich nicht aus, dass die ukrainische Seite ihren bisherigen Nicht-Nuklear-Status überdenken könnte. In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie wichtig es für das russische Militär war, die Anlagen des Tschernobyl-Kernkraftwerks zu sichern. Leonkow breitet aus:
"Im Kernkraftwerk Tschernobyl und in seiner Nähe lagern genügend abgebrannte Brennelemente, um weit mehr als eine 'schmutzige' Bombe herzustellen. Deshalb ist es sowohl für Russland als auch für die ganze Welt äußerst wichtig, dass das Kraftwerk Tschernobyl zuverlässig geschützt wird. Aber der 'Antrag' der Ukraine darauf, nukleare Massenvernichtungswaffen zu bauen – als ein Land mit einem instabilen und eindeutig nazistischen Regime –, stellt immer noch eine große Bedrohung dar."
Kiew hat bereits offen seine Bereitschaft erklärt, sich von den Bestimmungen des Abkommens zwischen der Ukraine und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) über den Atomwaffensperrvertrag freizusagen. In Anbetracht dieser Tatsache könne man einfach nicht ausschließen, dass die ukrainische Seite ernsthaft beabsichtige, mit der Entwicklung von Atomwaffen zu beginnen: Diese würden zwar zunächst von der Art "schmutzige Bombe" sein, aber dadurch eben nicht weniger gefährlich für die Welt, macht Leonow deutlich:
"Eine 'schmutzige' Bombe hat im Gegensatz zu einer klassischen Bombe keine zerstörerische Wirkung, aber dafür eine verseuchende. Das heißt: Je nachdem, auf welcher Höhe die Waffe gezündet wird und je nach der Spreng- und der Nuklearabfall-Ladung werden die Intensität der Kontaminiseung und die Ausbreitung radioaktiver Stoffe unterschiedlich ausfallen."
"Provokationen vorbeugen"
RT erinnert: Das Kernkraftwerk Tschernobyl wurde nach einer durch menschliche Fehler verursachten Katastrophe im April 1986 abgeschaltet. Über dem vierten Kraftwerksblock, in dem sich der Unfall ereignete, wurde ein Schutzsarkophag errichtet, um eine Ausbreitung der Strahlung zu verhindern. Im Jahr 2016 wurde über dem Gebäude des Notstromaggregats eine weitere Schutzhülle errichtet, die die Anlage für etwa 100 weitere Jahre isolieren soll.
Allerdings befindet sich in der Sperrzone von Tschernobyl auch das sogenannte Endlager Burjakowka, in dem Medienberichten zufolge feste Quellen ionisierender Strahlung (SRI) in Form von Stahlbetonkonstruktionen des Lagers und zementierten flüssigen Quellen ionisierender Strahlung verlagert und vergraben wurden, nachdem das in der Region Schitomir gelegene Endlager Wakulentschuk aufgelöst wurde.
Darüber hinaus wurde 2014 mit dem Bau des sogenannten Zentralen Lagers für abgebrannte Brennelemente auf dem Gelände des KKW Tschernobyl begonnen. Eine Vereinbarung über die Umsetzung des entsprechenden Projekts wurde bereits im Jahr 2005 zwischen der Nationalen Kernenergieerzeugungsgesellschaft der Ukraine "Energoatom" und dem US-Unternehmen Holtec International unterzeichnet. Doch die ersten Arbeiten begannen erst neun Jahre später, als in der Sperrzone Grundstücke für die Lagereinrichtung zugewiesen wurden. Die Eröffnung des Erstsequenzanlage des Endlagerkomplexes fand im Dezember 2020 statt.
Nach Angaben des Pressedienstes von Energoatom sollen bis 2040 weitere 14 Erstsequenzanlagen des Zentralisierten Endlagers gebaut werden – "parallel zur Befüllung des Lagers mit Behältern mit abgebranntem Kernbrennstoff", in denen vor allem verbrauchte Brennelemente aus den drei in Betrieb befindlichen ukrainischen Kernkraftwerken 100 Jahre lang gelagert werden sollen.
Analytikern zufolge werden durch den Übergang der Gebiete um das Kernkraftwerk Tschernobyl und des Kernkraftwerks selbst unter den Schutz und die Bewachung des russischen Militärs die Risiken im Zusammenhang mit der Nutzung des Atoms für nicht-friedliche Zwecke minimiert – vorerst. Podberjoskin betont:
"Aus diesem Grund wurde Tschernobyl gleich am ersten Tag der Sonderoperation in der Ukraine unter die Kontrolle des russischen Militärs gebracht. Schließlich war und ist die Gefahr, dass Kiew die angesammelten Nuklearabfälle für militärische Zwecke nutzen könnte, sehr real."
Derzeit ist das russische Militär für den Schutz des Kernkraftwerks Tschernobyl und der Umgebung zuständig, um mögliche gefährliche Zwischenfälle zu verhindern, hielt Alexei Leonkow fest.
"Das russische Militär übernahm die Kontrolle und Bewachung des Kernkraftwerks mit dem einzigen Ziel: Provokationen zu vermeiden, die zu einer Massentragödie durch den Einsatz von Kernmaterial führen könnten. Und die russischen Streitkräfte erfüllen diese Aufgabe jetzt erfolgreich."
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RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
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Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.